Kritik an Lüzerath - Autonome (OaP) protestieren vor und an unserem Büro in Rosenheim

Lüzerath – ein Dilemma

Kritik an uns Grünen – auch hier in Rosenheim – üben die Autonomen, indem Sie unser Büro mit platten und halbgaren Thesen „plakatieren“ und ein Feuerwerk vor unseren Türen zünden. Auch wenn wir die Förderung der Kohle unter Lützerath kritisieren – und lieber heute als morgen den Tagebau still legen würden – wir müssen uns an geltendes Recht halten! Wir brauchen eine stärkere Gewichtung unserer grünen Stimme in den Regierungen. Dann können wir auch noch mehr erreichen.

Kritik der Autonomen

Die Räumung des Dorfes Lützerath hat auch in Rosenheim zur massiven Kritik an uns Grünen geführt. Wir seien Beschützer der Profitinteressen des Konzerns RWE und würden den fossilen Kapitalismus verteidigen. In Rosenheim sahen sich deshalb die Autonomen (OaP) ermächtigt, das Grüne Büro mit ihren halbgaren Thesen zu bekleistern. Diese Kritik ist inhaltlich falsch, in der Verkürzung einfach nur platt; sie zeigt vor allem das gespaltene Verhältnis der Autonomen zu demokratischen Umgangsformen.

Die Kritik ist ärgerlich, weil wir Grünen schon jahre- und jahrzehntelang gegen die Atomenergie und die Klimakrise gekämpft haben, als die Aktivisten von Fridays for future und die autonomen Yongsters noch gar nicht geboren waren und die damaligen Autonomen mit der Umwelt nichts am Hut hatten.

Parlamentarische Demokratie und Verrat

Nervig ist der moralische Tonfall, wenn sie mit den Begriffen „Verrat“ um sich schmeißen, und sich als die moralischen Tugendwächter im linken Spektrum aufspielen. Wir sind hier aber nicht in der Kirche und es geht nicht um moralische Reinheit. Es geht um das möglichst schnelle Erreichen einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft. Und es geht darum, auf dem Weg möglichst viele Menschen mitzunehmen und das beinhaltet auch, die gegebene (Macht)Konstellation im Parlament und die Entscheidungen der Justiz anzuerkennen. Der Vorwurf, die Grünen hätten ihre Position verraten, blendet vollkommen aus, dass die Grünen nur 18,2 % der Stimmen in der Landtagswahl erhalten haben und logischerweise nicht 100% ihrer Positionen umsetzen können. Das sind leider die Spielregeln der parlamentarischen Demokratie.

Kompromiss und Nachverhandlung

Trotz dieser relativ schwachen Ausgangsposition haben es die Grünen in NRW und Minister Habeck geschafft, einen Kohlekompromiss, der unter Teilnahme der Zivilgesellschaft geschlossen wurde (incl. BUND, Greenpeace und Gewerkschaften) noch zu verbessern. Während der Kohlekompromiss vorsah, erst 2038 aus der Braunkohleverstromung auszusteigen, wurde der Ausstieg auf 2030 vorgezogen, die zu fördernde Menge auf die Hälfte reduziert und das Überleben von 5 Dörfern in dieser Region gesichert.

Lützerath gehörte leider nicht dazu und das RWE hatte einen Rechtsanspruch auf das Abbaggern dieser Fläche, der durch alle Instanzen bestätigt wurde. Das nervt uns selbst natürlich auch, aber es war ein typischer Kompromiss.

Es ist kein Verrat, sondern das sind die Ergebnisse vorangegangener Politik (Kohlekompromiss) und ein Ausdruck der herrschenden Kräfteverhältnisse.

Die Frage nach der Notwendigkeit

Wir wissen, dass es jetzt Diskussionen und Gutachten gibt, ob die ganze Kohle unter Lützerath gebraucht wird oder nicht. Die Beantwortung dieser Frage hängt vor allem davon ab:
– wie schnell werden wir die erneuerbaren Energien ausbauen?
– wie stark sparen wir Energie ein?
– wie schnell können wir die Energieeffizienz steigern?
Natürlich wollen auch wir, dass die Braunkohle im Boden bleiben soll!
Uns ist klar, dass wir in einer ziemlichen Dilemma-Situation stecken. Auch wir als Grüne in der Landesregierung müssen den bürgerlichen Rechtsanspruch von RWE gegen die Kilmaaktivist d*innen durchsetzen.

Ohne Grün – wo wären wir dann?

Wir wissen aber auch: Ohne grüne Regierungsbeteiligung in NRW hätte der bisherige Kohlekompromiss Bestand gehabt hätte und 6 Dörfer wären zerstört worden – anstatt eines.
Der Ausstieg aus der Kohle wäre 8 Jahre später erfolgt.
Das ist keine Entschuldigung, das ist das Dilemma, in das man gerät, wenn man sich auf die politische Struktur einlässt. Und das müssen wir , wenn wir unser Land mit regieren wollen.
Grüne Regierungsbeteiligung ist absolut notwendig. Ohne wären inzwischen mit Sicherheit neue Brennstäbe angeschafft worden und ohne wären jetzt auch alle 6 Dörfer verschwunden und wir würden doppelt so viel Kohle abbauen und damit doppelt so viel CO2 emittieren.
Es braucht noch viel weiter reichende Erfolge! Und dafür brauchen wir mehr Stimmen!

Der Fokus: Ausbau der erneuerbaren Energien

Jetzt muss der Fokus darauf liegen, den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv voranzutreiben und die auf EU- Ebene beschlossene Erhöhung der Preise für CO² – Emissionen zu nutzen, um die Förderung der Braunkohle schon vor 2030 ökonomisch unrentabel werden zu lassen.

In diesem Sinne kann Lützerath ein Symbol für das Ende der Nutzung der Braunkohle in Westdeutschland sein, und wir hoffen, dass uns dieses auch in Ostdeutschland gelingt.

Wunsch und Wirklichkeit 2023

Wie man der Süddeutschen Zeitung vom 14.1.2023 entnehmen kann, sind Kohle und Kernernergie die Sparten, die dem Konzern im letzten Jahr den geringsten Gewinn eingebracht haben, die Solarenergie dagegen am meisten. Das soll beileibe keine Verteidigung von RWE sein, sondern soll die Notwendigkeit unterstreichen, sich ernsthaft mit dem heutigen Kapitalismus, seiner Effizienz und seiner Entwicklungsdynamik genauer auseinanderzusetzen.

Protest und Kritik immer – Sinn und Verstand auch immer

Was uns vor Ort in Rosenheim aber auch beschäftigt, ist die moralische Selbstermächtigung, die die Autonomen aus ihrer (begrenzten) Sichtweise der Welt ableiten. Sie nehmen wie selbstverständlich für sich das Recht in Anspruch, unsere Scheiben zu bekleistern, weil sie sich moralisch im Recht „wähnen“. Die gleiche moralische Selbstermächtigung haben wir bei der Szene der Corona-Leugner erlebt, die auch glaubte, ohne demokratische Legitimation das Recht in die eigenen Hände nehmen zu dürfen. Sie sind in unangenehmer Gesellschaft und auf einem gefährlichen Weg.