Leserbrief

Leserbrief zu dem „Offenen Brief mittelständischer Unternehmer“

in der Osterausgabe des OVB, 3./4./5. April 2021

Der Brief der mittelständischen Unternehmer richtet sich etwas schwammig an alle Volksvertreter. Obwohl meine Partei, Bündnis 90/Die Grünen, nicht in der Regierungsverantwortung im Bund und im Land Bayern steht und deshalb für einzelne Maßnahmen nicht zuständig ist, tragen wir trotzdem Verantwortung für die politische Entwicklung in diesem Land. Deshalb melde ich mich hiermit zu Wort.

Aus dem Brief spricht die berechtigte Sorge um die Art der Bewältigung der Corona-Pandemie und die Verzweiflung vieler Selbständiger, ob im Einzelhandel oder Gastronomie oder im ganzen kulturellen Bereich, weil sie ihre Existenz aktuell bedroht sehen.

Wir teilen diese Sorge und sehen auch die dramatische Lage vieler Betriebe, besonders bei Solo-Selbständigen.

Aber trotzdem können wir Ihren Brief nicht unwidersprochen stehen lassen. Denn er lässt seltsamerweise die Ursache des Problems, die Corona-Pandemie, außer Acht und erwähnt sie nur an einer Stelle am Rande und erweckt so den Eindruck, dass die staatliche Maßnahmen dagegen reine Willkür seien, die sich insbesondere gegen den Mittelstand und die unternehmerische Freiheit richten würden.

Diese Sichtweise ist einseitig und polemisch und verkennt darüber hinaus die Aufgabe des Staates in unserer Gesellschaft. Es ist die zentrale Aufgabe des Staates, für die äußere und innere Sicherheit der Gesellschaft zu sorgen und dazu gehört auch der gesundheitliche Schutz der Bürger in Ausnahmesituationen wie Pandemien oder Naturkatastrophen. Wie der Staat diese Aufgabe in den letzten 13 Monaten wahrgenommen hat, darüber lässt sich trefflich streiten, aber dass es seine Aufgabe ist, steht außer Zweifel.

Die Vorstellung, in der Corona-Pandemie gäbe es „eine Selbstbestimmung in gesundheitlichen Risiken“, ist schlichter und gefährlicher Unsinn. Wenn bei einer Corona-Erkrankung fast die Hälfte der Infektionen weitergegeben werden, bevor der Betroffene merkt, dass er krank ist, ist es ein schlechter Witz, von „Selbstbestimmung“ zu reden, und „die Eigenverantwortung“ besteht eben darin, sich so zu verhalten, als ob man Träger einer Infektion wäre. Das ist auch der Kern der Maßnahmen, die von der Regierung in Bund und Land beschlossen wurden. Dass die Maßnahmen oft zu spät kamen und kommen, dass es unsägliche bürokratische Hürden gibt, dass die Maßnahmen in sich nicht konsistent sind, dass die Politik oft nicht weitsichtig genug plant, sehen wir auch so.

Das gegenwärtige Problem besteht aber eher darin, dass die Kontaktvermeidung im privaten Bereich nicht eingehalten wird und sich so die Pandemie weiter ausbreitet. Der Staat reagiert (weil ihm nichts Besseres einfällt), indem er die Bereiche, die er kontrollieren kann, reguliert und das trifft vor allem mittelständische Betriebe. Wenn Sie etwas an der Situation ändern wollen, sollten Sie Ihren Einfluss geltend machen, um diese privaten Kontakte einzuschränken und in Ihren Betrieben möglichst häufig zu testen, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Denn die von Ihnen in den Vordergrund gestellte Freiheit kann ja nicht in der Freiheit bestehen, das Virus ungehindert zu verbreiten. Freiheit findet dort ihre Grenzen, wo die persönliche Integrität von anderen Menschen gefährdet wird.

Wir sehen uns auch „an einem kritischen Punkt der gesellschaftlichen Entwicklung“. Denn sogenannte „Querdenker“ benutzen unter der Parole der Freiheit den verständlichen Unmut der Bevölkerung, um unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft zu beschädigen oder sogar zu beseitigen. Wir fänden es sehr bedauerlich, wenn Sie sich in dieses gefährliche Fahrwasser begeben und sich an der nachhaltigen Beschädigung unseres demokratischen Gemeinwesens beteiligen.

Detlef Dobersalske, Breitbrunn