Rede von Detlef Dobersalske zu den „Spaziergängen“ der Corona-Kritiker
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitmenschen,
uns alle irritiert und bedrückt, wie viele Menschen fast täglich auf die Straße gehen, die die Existenz des Corona-Virus leugnen oder die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie als Beschränkung ihrer Freiheit kritisieren. Sie handeln in der falschen Vorstellung, in unserem Land herrsche eine Diktatur und sie sehen sich in einer Widerstandssituation.
Erschreckender Höhepunkt (oder besser Tiefpunkt) dieses Widerstandswahns war die Rede des Mannes, der sich als Oberfeldwebel Oberauer vor einer Woche in Rosenheim vorstellte und zum offenen Widerstand gegen unsere Demokratie aufrief.Interessanterweise berief sich dieser Mann auf den § 20 Absatz 4 des Grundgesetzes, wo es heißt: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“.Das ist eigentlich mein Lieblingsartikel, denn er ist eine große demokratische Errungenschaft unserer Verfassung. Er soll verhindern, dass noch einmal (wie in der Weimarer Republik) der Rechtsstaat von Feinden der Demokratie gekapert und von Innen zerstört werden kann. So richtet er sich ausdrücklich gegen Leute wie diesen Oberfeldwebel.
Denn da steht nicht: Wem eine Maßnahme des Staates nicht passt (wie z.B. die Impfpflicht), hat das Recht zum Widerstand, sondern „wer es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen“. Was mit dieser Ordnung gemeint ist, wird in den Sätzen vorher beschrieben und diese stellt das Herzstück unserer Demokratie dar, nämlich- Sozialstaatlichkeit- Föderalismus- Volkssouveränität, d.h. dass alle politische Gewalt vom Volk ausgeht- Gewaltenteilung zwischen Regierung, Gesetzgeber und Gerichten- Rechtsstaatlichkeit von Regierung und Justiz.
Das sind die demokratischen Prinzipien, auf denen unser Gemeinwesen beruht und wenn diese ausgeschaltet sind, kann man von Diktatur reden. Davon kann aber nicht nur im Ansatz die Rede sein. Denn die Corona-Skeptiker weiten das Demonstrationsrecht über Gebühr aus und nutzen jede juristische Möglichkeit, die ihnen unser Rechtsstaat bietet. Ihre lästigen öffentlichen Auftritte beweisen gerade, dass wir in einer Demokratie leben. In einer Diktatur säßen sie im Gefängnis und nicht in den Diskussionsrunden im Fernsehen.
Fast noch mehr als die Gewaltfantasien des oben erwähnten Bundeswehrsoldaten, in denen er offen mit Mord droht, hat mich die Reaktion des Rosenheimer Publikums entsetzt: Keine Pfiffe, keine Buh-Rufe, keine Rufe „Aufhören“, sondern deutlicher, lauter Beifall. Ich frage mich: Wer klatscht da? Was sind das für Menschen?Sind das die Menschen, die angeblich „für mehr Freiheit und mehr Menschlichkeit“ eintreten wollen? Sieht so das „neue vertrauensvolle gesellschaftliche Miteinander“ aus, das die Corona-Skeptiker wie eine Monstranz vor sich hertragen? Ist das „die neue Kultur des achtungsvollen und wohlwollenden Umgangs miteinander“?
Nein, nein und nochmals nein! Denn hinter diesen salbungsvollen Worten macht sich ein rechtsradikaler Geist breit. Und seit spätestens letzter Woche kann jeder wissen, was dort verbreitet wird. Die Entschuldigung „ich habe nie auf den Veranstaltungen etwas Rechtsradikales gehört“, gilt nicht mehr!
Deshalb appelliere ich an die Corona-Skeptiker, die noch an Demokratie interessiert sind:
Trennt euch von den rechtsradikalen Feinden der Demokratie!
Besinnt euch auf ein menschliches Miteinander!
Lasst uns gemeinsam das Virus bekämpfen und nicht unser demokratisches Gemeinwesen!
(Rede von Detlef Dobersalske am 10.01.2022 in Prien am Chiemsee)